Urteil gegen Voxenergie wg. Telefonwerbung

LG Berlin, Urteil gegen Voxenergie vom 04.07.18 – 15 O 170/17

In dem Rechtsstreit
Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V.,
gegen
Voxenergie GmbH,
hat das Landgericht Berlin – Zivilkammer 15 – durch den Richter am Landgericht als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.07.2018 für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft,
    oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihren jeweiligen Geschäftsführern, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern zu unterlassen,
    a) privaten Endverbrauchern ohne deren vorherige ausdrückliche Einwilligung im privaten Bereich anzurufen und/oder anrufen zu lassen, um Geschäftsabschlüsse über Energielieferverträge
    anzubahnen oder vorzubereiten.

    b) einen bestehenden Stromliefervertrag eines privaten Endverbrauchers zu kündigen, ohne dass der Endverbraucher hierfür eine entsprechende Vollmacht zur Kündigung in Textform erteilt hat.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 260,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 9. Juni 2017 zu zahlen.
  3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
  4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung, und zwar in jede Unterlassungspunkt von 15.000,- EUR und im Übrigen in Höhe des jeweils zu vollstreckende Betrages zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand – Urteil gegen Voxenergie

Der Kläger ist ein Verbraucherverband und in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.

Die Beklagte bietet u.a. Energie- als auch Telekommunikationsdienstleistungen an und bedient sich dazu gewerblicher Vermittler. Sie richtet sich auch an Verbraucher als Haushaltskunden und betreibt die Webseite www.voxenergie.de. Sie betraute die Analysa GmbH mit dem Vermittlungsgeschäft per Telefon. Es ist unstreitig, dass in den streitgegenständlichen Fällen dazu Verbraucher von jener angerufen wurden.


Mit Schreiben vom 2. Dezember 2016 mahnte der Kläger die Beklagte wegen angeblich unverlangter und ohne vorherige Einwilligung erfolgter Telefonanrufe in Privathaushalten sowie das Versenden von Auftragsbestätigungen ohne vorherigen Vertragsabschluss ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.

Der Kläger meint, die Beklagte habe in zwölf Fällen, wegen deren Einzelheiten auf die Ausführungen in der Klageschrift unter Ziffer IV. A 1. Bezug genommen wird, über einen Zeitraum von 15 Monaten hinweg Verbraucher ohne deren vorherige Zustimmung zum Zwecke der Bewerbung ihrer Energiedienstleistungen angerufen. Er sieht darin einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1, 2 Nr. 2 UWG.

In zehn Fällen, wegen deren Einzelheiten auf die Ausführungen in der Klageschrift unter Ziffer IV. B. 1. Bezug genommen wird, habe die Beklagte eine Auftragsbestätigung erteilt, ohne dass der Verbraucher zuvor eine zu dem Vertragsschluss führende Willenserklärung abgegeben gehabt habe. Er sieht hierin eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Abs. 1, 2 UWG. Zudem werde der Verbraucher gezwungen zu handeln, um einen Anbieterwechsel zu verhindern, was eine nach § 5 Abs. 1 UWG verbotene irreführende geschäftliche Handlung sei. Zugleich liege in der Zusendung und des Aufwandes, die Folgen des Werbeanrufes zu beseitigen oder zu ertragen, eine unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 1 UWG.


In neun Fällen, wegen deren Einzelheiten auf die Ausführungen in der Klageschrift unter Ziffer IV. C. 1. Bezug genommen wird, habe die Beklagte dem Vorlieferanten einen Anbieterwechsel mitgeteilt, ohne dass der Verbraucher ihr zuvor eine Kündigungserklärung in Textform gemäß § 312h BGB erteilt gehabt habe. Dies stelle einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1. und 2 UWG sowie § 3 Abs. 1, 2 UWG dar.


Ferner macht er eine Abmahnpauschale in Höhe von 260,- EUR geltend.

Er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,


I. es bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern zu unterlassen,

  1. was erkannt, und/oder
  2. an Verbraucher, die im Rahmen einer telefonischen Geschäftsanbahnung lediglich die Übermittlung von Informationsmaterialien zu den angebotenen Leistungen zur Lieferung von Energie erbeten haben, Erklärungen über die Bestätigung eines bereits erteilten Auftrages zur Energieversorgung zu übermitteln und/oder übermitteln zu lassen, und/oder
  3. einen bestehenden Stromliefervertrag eines privaten Endverbrauchers zu kündigen, ohne dass der Endverbraucher hierfür eine entsprechende Vollmacht zur Kündigung erteilt hat.


ll. an ihn 260,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (zugestellt: 8. Juni 2017) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.


Sie meint, es genüge als Rechtfertigung für die Anrufe, dass die genannten Verbraucher auf ausdrückliche Nachfrage während des Telefonats allesamt erklärt hatten, mit einem Mitschnitt des Telefonats aus Gründen der Qualitätssicherung einverstanden zu sein,

Sie ist ferner der Auffassung, dass eine per SMS übersandte Auftragsbestätigung und Vollmachtsanforderung, die der Verbraucher gesprächssynchron mit „Ja“ bestätige, dem Textformerfordernis nach §§ 321h, 126b BGB für eine Kündigungsvollmacht genüge. Zudem sei die ratio legis des § 312h BGB, der dem Schutz besonderer Vertriebsformen diene, hier nicht betroffen, weil keiner der genannten Kunden einen wirksamen Widerruf erklärt und die Kündigung der Altverträge stets erst nach Ablauf der Widerrufsfrist erfolgt sei.

Es fehle daher an einem Lauterkeitsverstoß.

Hinsichtlich des den Klageantrag zu I. 2. betreffenden Sachverhalts ist die Beweisaufnahme noch im Gange und ein Ende nicht absehbar.

Entscheidungsgründe – Urteil gegen Voxenergie

I.

Die Sache ist zur Entscheidung durch Teilurteil nach § 301 ZPO nur wie aus dem Tenor ersichtlich reif. Die Klage umfasst insgesamt drei selbständige Streitgegenstände. Die den Klageanträgen zu I. 1 und 3. sowie II. zugrundeliegenden Sachverhalte sind entscheidungsreif. Ein Aufschieben bis zur Entscheidungsreife auch des letzten Unterlassungsanspruchs ist untunlich, da die Beklagte zuletzt in dem Beweistermin ihre Rechtsansicht in den bereits entscheidungsreifen Punkten bekräftigt hat und dem Kläger ein vollstreckungsfähiger Titel insoweit nicht weiter vorenthalten werden kann. Denn es steht zu befürchten, dass die Beklagte ansonsten ihre bisherige Praxis fortsetzt.

II.
Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V.m. § 4 UKlaG sowie §§ 2, 3 UKlaG prozessführungsbefugt und nach § 8 Abs. 1, 7 Abs. 1 und 2 Nr. 2 UWG sowie § 2 Abs.1 S. 1 aktivlegitimiert.

2. a) Der Unterlassungsantrag zu I.1. ist begründet, weil eine nachträgliche Billigung des überraschenden Anrufs die rechtswidrige Störung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Angerufenen durch den vorangegangenen sog. Cold Call nicht mehr rückwirkend zu beseitigen vermag. Es ist unstreitig, dass die von dem Kläger benannten Verbraucher weder der Beklagten noch deren Beauftragter, der Analysa GmbH, vor den Anrufen eine nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG „vorherige ausdrückliche Einwilligung“ für einen Telefonanruf zu Werbezwecken erteilt hatten. Es genügt nicht, dass der Angerufene nachträglich, also bei oder nach dem Gespräch den Anruf billigt (BGH GRUR 1994, 380, 381 – Lexikothek -). Die Abfrage eines Einverständnisses in dem Telefonat wäre zudem selbst eine weitere unzumutbare belästigende Telefonwerbung, die allerdings hier nicht streitgegenständlich ist.


b) § 312h BGB ist ungenanntes Verbraucherschutzgesetz im Sinne von § 2 Abs. 1S. 1 UKlaG (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 312h Rn. 1; Kehler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., UKlaG § 2 Rn.4). Es gilt für alle besonderen Vertriebsformen im Sinne der §§ 312 bis 31 2g BGB und lässt sich daher unmittelbar keinem der in § 2 Abs. 2 S. 1 Ziffer 1 UKlaG genannten Vertragstypen zuordnen, so dass die Norm dem Obersatz zuzuordnen ist.

§ 312h schreibt für den Fall, das der Verbraucher den Unternehmern oder einen von jenem beauftragten Dritten zur Erklärung der Kündigung gegenüber dem bisherigen Vertragspartner des Verbrauchers bevollmächtigt, für die Vollmacht zur Kündigung als Wirksamkeitserfordernis (§ 125 BGB) die Textform vor.


Nach § 126b BGB muss zur Wahrung der Textform eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden.


Die Beklagte erklärt hierzu lapidar, dass sie dem Verbraucher per SMS zur Bestätigung mit „JA“ eine Aufforderung zur Auftragsbestätigung und Vollmachtserteilung übermittele. Dies erfüllt — ohne dass es vertiefenden Vortrags des Klägers bedurfte — indes nicht die Anforderungen des § 126b BGB. Erforderlich war zur Wahrung der Textform zudem die Nennung der Personen des erklärenden Verbrauchers (Vertretenen) und des von ihm zur Abgabe der Kündigungserklärung gegenüber dem Versorger Bevollmächtigten (Vertreter). Die Einhaltung dieser notwendigen Formalien behauptet die Beklagte selbst nicht. Da sie sich aber berühmt, sie wäre zur Abgabe von Kündigungserklärungen gegenüber den bisherigen Versorgern der genannten Verbraucher berechtigt, und diese Kündigungen seien mithin wirksam erklärt, war sie für die Einhaltung der Textform darlegungs- und beweispflichtig (vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 126b Rn. 6).

2. Die Handlungen der Analysa GmbH hat die Beklagte sich nach § 13 UWG bzw. § 2 Abs. 1 S. 2 UKlaG als ihre Beauftragte zurechnen zu lassen.

3. Die für den Unterlassungsanspruch als Voraussetzung erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt sich aus dem Verletzungsgeschehen; sie hatte nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden können (BGH GRUR 1985, 155, 156 – Vertragsstrafe bis zu… I-m.w.N.).

Bei dem Unterlassungssatz zu lit. B) hat die Kammer aus redaktionellen Gründen den Zusatz ,,in Textform“ eingefügt, um den Verbotsinhalt deutlicher zu machen.

Ill.
Die Beklagte hat dem Kläger zudem gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG und § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG die geltend gemachte Abmahnpauschale zu ersetzen.


Die Kostenpauschale des Verbandes ist in voller Höhe selbst dann zu zahlen, wenn die Abmahnung nur teilweise berechtigt gewesen wäre (BGH GRUR 2010, 744 — Sondernewsletter — Rn. 51 juris m.w.N.). Es ist daher irrelevant, ob die Abmahnung mithin auch zum Klagepunkt I.2. nach dem derzeit offenen Ergebnis der laufenden Beweisaufnahme berechtigt sein wird oder nicht.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

IV.


Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 S. 1, 2 ZPO.

Urteil gegen Voxenergie

Urteil gegen Voxenergie vom 04.07.18 – 15 O 170/17