Urteil gegen Fuxx-Die Sparenergie GmbH

LG Hamburg, Urteil gegen Fuxx-Die Sparenergie GmbH vom 31.01.2023 – 312 O 61/22

In der Sache
Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbande – Verbraucherzentrale
Bundesverband e.V.

gegen
Fuxx-Die Sparenergie GmbH
erkennt das Landgericht Hamburg – Zivilkammer 12 – durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht , die Richterin am Landgericht und den Richter am Landgericht auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2023 für Recht:

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken am Geschaftsführer, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern künftig zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen in Bezug auf Stromlieferverträge gegenüber Verbrauchern innerhalb des laufenden Abrechnungszeitraumes einseitig die vereinbarten Abschlagszahlungen zu erhöhen, ohne dass eine Preisänderung erfolgt ist, wenn dies erfolgt wie in Anl. K2 und K4 abgebildet.
Il. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Ill. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
IV. Das Urteil ist bezüglich I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 15.000,00 und bezüglich Ill. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand – Urteil gegen Fuxx

Der Kläger ist der Dachverband der 16 Verbraucherzentralen und 28 verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland. Sein Zweck gem. § 2 seiner Satzung ist es, Verbraucherinteressen wahrzunehmen, den Verbraucherschutz zu fördern, die Stellung der sozialen Marktwirtschaft zu stärken und zur Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Die Beklagte ist ein Energieversorgungsunternehmen mit Sitz in Hamburg. Sie beliefert bundesweit private Haushalte mit Strom und Gas.


Die Beklagte schloss mit dem Verbraucher am 28.09.2020 einen Stromliefervertrag (Anlage K1). Lieferbeginn war der 01.01.2021, angenommener Jahresverbrauch 2.605,00 kWh. Vereinbart wurden als monatlicher Arbeitspreis 25,09 Cent/kWh, als Grundpreis 8,86 EUR/Monat und als monatliche Abschlagshöhe 69,00 EUR brutto bei 11 Abschlägen im Belieferungsjahr. Zusätzlich wurde ein „Neukundenbonus“ von 25 % sowie eine eingeschränkte 24-monatige Preisgarantie vereinbart.


Am 22.10.2021 erhielt Herr XXX von der Beklagten eine E-Mail (Anlage K2); in der ihm unter Verweis auf die aktuelle Energiekrise und entsprechend gestiegene tatsächliche Kosten mitgeteilt wurde, dass sein monatlicher Zahlbetrag ab dem 01.11.2021 106,00 EUR betrage, basierend auf einer Verbrauchserwartung von 2.344 kWh/Jahr.


Die Beklagte schloss mit dem Verbraucher am 08.12.2020 einen Stromliefervertrag (Anlage K3). Lieferbeginn war der 01.03.2021, angenommener Jahresverbrauch 3.400,00 kWh. Vereinbart wurden als monatlicher Arbeitspreis 26,97 Cent/kWh, als Grundpreis 17,72 EUR/Monat und als monatliche Abschlagshöhe 103,00 EUR brutto bei 11 Abschlagen im Belieferungsjahr. Zusätzlich wurde ein „Neukundenbonus“ von 25 % sowie eine eingeschränkte 24-monatige Preisgarantie vereinbart.


Am 22.10.2021 erhielt Herr XXX von der Beklagten ebenfalls eine E-Mail (Anlage K4), in der ihm unter Verweis auf die aktuelle Energiekrise und entsprechend gestiegene tatsächliche Kosten mitgeteilt wurde, dass sein monatlicher Zahlbetrag ab dem 01.11.2021 160,00 EUR betrage, basierend auf einer Verbrauchserwartung von 3.752 kWh/Jahr.


Der Kläger hat mit Schreiben vom 04.01.2022 die Beklagte wegen dieser Handlungen abgemahnt und sie zur Unterzeichnung der beigefügten Unterlassungserklärung aufgefordert mit dem Inhalt, es künftig zu unterlassen, „im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern bei laufenden Stromlieferverträgen innerhalb des Abrechnungszeitraums einseitig die vereinbarten Abschlagszahlungen zu erhöhen“ (Anlage K5). Die Beklagte wies am 17.02.2022 die Abmahnung zurück.


Der Kläger trägt vor, die Abschlagszahlungen seien einseitig trotz Bestehens einer (eingeschränkten) Preisgarantie und ohne wirksam ausgesprochene Preiserhöhung erhöht worden.

Der Kläger meint, ihm stehe ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus § 5 UWG, auf den er sich nunmehr in erster Linie beruft, und §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 41b Abs. 3 EnWG zu. Hilfsweise macht er einen Unterlassungsanspruch aus § 2 UKlaG i.V.m. § 41b Abs. 3 EnWG geltend. Nach § 41b Abs. 3 EnWG seien Abschlagszahlungen entsprechend dem Verbrauch im zuletzt abgerechneten Zeitraum zu berechnen, bei der in der Regel üblichen Jahresabrechnung also an den Vorjahresverbrauch angelehnt, bei Neukunden orientiert am Verbrauch vergleichbarer Kunden. Während des laufenden Abrechnungszeitraums seien Preissteigerungen bei der Energiebeschaffung grundsätzlich dem unternehmerischen Risiko von Energielieferanten wie der Beklagten zuzuordnen. Diese sei nicht durch Abschlagserhöhungen auf Haushaltskunden abzuwälzen, die damit unberechtigt seien. § 41b Abs. 3 EnWG sehe keine unterjährige einseitige Abschlags- oder Vorauszahlungserhöhung des Lieferanten vor. Sinn und Zweck der Vorschrift sei es sicherzustellen, dass eine vereinbarte Vorauszahlung dem wahrscheinlichen Verbrauch des Kunden entspreche, damit jener sich verlässlich darauf einrichten könne. Dies folge aus Anhang I Abs. 1 lit. D der EItRL 09 bzw. GasRL 09.


Die Beklagte könne auch nicht auf § 41 Abs. 5 EnWG abstellen. Dieser sei nicht einschlägig. Aus einer Mitteilung erhöhter Strombeschaffungskosten folge keine Berechtigung zu einer voraussetzungslosen
Preiserhöhung, die wiederum erst Voraussetzung einer Abschlagserhöhung sei.

Hiergegen habe die Beklagte mit ihren Schreiben vom 22.10.2021 (Anl. K2 und K4) mit Beanspruchungen deutlich erhöhter Abschlagszahlungen verstoßen und damit einer Markverhaltensregel zuwider gehandelt. Die Interessen von Verbrauchern seien auch spürbar beeinträchtigt. Aufgrund der verweigerten Unterzeichnung der Unterlassungserklärung bestünde weiter Wiederholungsgefahr. Im Übrigen habe der Kläger einen Zahlungsanspruch hinsichtlich der Abmahnkosten gem. § 13 Abs. 3 UWG.

Der Kläger beantragt,

1. wie erkannt,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 260,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor
mit den E-Mails aus K2 und K4 habe die von ihr als Dienstleister eingesetzte Fullfillment-Firma ohne Zutun der Beklagten versucht, die zwischenzeitlich um 450% erhöhten Spotmarktpreise für Strom über eine Änderungskündigung weiterzugeben. Für kleinere Energieversorger wie die Beklagte sei diese Entwicklung dramatisch. Die Fullfillment-Firma sei für den Vertrieb zuständig gewesen, u.a. hinsichtlich der streitgegenständlichen Tarife über ein Internetvergleichsportal, auf welchem die Tarife und Abschlagszahlungen automatisch errechnet wurden, die sich aufgrund sprunghaft angestiegenen Beschaffungspreise im Nachhinein als zu niedrig herausstellten. Mit den E-Mails habe die Fullfillment-Firma diese Fehler in Unkenntnis der Beklagten ohne Zuhilfenahme rechtlicher Beratung korrigieren wollen.

Sie meint, dass bei Zustimmung der Kunden zu der Änderungskündigung eine angemessene Kostenverteilung überhaupt erst hergestellt worden wäre. Die E-Mails wurden auch den Vorgaben des § 41 Abs. 5 EnWG genügen, indem diese auf einfache und verständliche Weise transparent über die gewollte und erforderliche Erhöhung des Arbeitspreises informiert hätten. Der Hinweis auf die radikal veränderte Beschaffungssituation für Energie und die Notwendigkeit, durch Arbeitspreis- und Abschlagserhöhung die Versorgung sicherzustellen, seien taugliche Ziele für die Preiserhöhung und reichten zur Begründung aus. Abschlagsanpassungen seien auch das richtige Mittel, um gestiegenen Stromkaufpreisen zu begegnen.

Weiter meint die Beklagte, dass es an einer Irreführung fehle, wie sich an den Reaktionen der Verbraucher (Widerruf Lastschriftermächtigungen und Weiterzahlung alten Abschlags) zeige. Diese könnten auch stellvertretend für die angesprochenen Verkehrskreise als sog. Durchschnittsverbraucher
herangezogen werden, dem die Unzulässigkeit der Abschlagserhöhung in der streitgegenständlichen Art und Weise bewusst sei. Der Durchschnittsverbraucher kenne den Vertragsinhalt gerade im Discountbereich sehr genau und würde sich vertragswidrigem Verhalten widersetzen, wie hier geschehen.. Außerdem werde bestritten, dass es sich bei den Kunden XXX und XXX um Verbraucher handele.


Der Vortrag des Klägers aus der mündlichen Verhandlung zu § 5 UWG sei verspätet.


Ferner beruft sich die Beklagte auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs aus § 8c Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 UWG. Die Unterlassungsverpflichtung sei sachlich uneingeschränkt gewesen und hätte der Beklagten fur alle Zeiten untersagt, offensichtlich rechtmäßige und wirksame Abschlagserhöhungen außerhalb von § 41b Abs. 3 EnWG vorzunehmen. Die Erhöhung von Abschlagshöhen sei Stromversorgern auch außerhalb des § 41b Abs. 3 EnWG gestattet, der nach seinem Wortlaut auch nur die erstmals vereinbarte Abschlagshöhe erfasse und in einem laufenden Energieliefervertrag keine, jedenfalls keine ausschließliche und zwingende Anwendung finde. Nach gesetzgeberischer Wertung in § 13 Abs. 2 StromGVV und § 13 Abs. 2 GasGVV könne die Abschlagserhöhung neben geänderten Verbrauches des Kunden auch wegen geänderter Arbeits- und/oder Grundpreise, die die zu erwartende Zahllast des Kunden erhöhten, erklärt werden. Andere Auslegungen würden Sinn und Zweck von Abschlagszahlungen, Kunden mit möglichst geringen Nachforderungen zu konfrontieren, entgegenlaufen und das gesetzgeberisch eingeräumte bzw. anerkannte, einseitige oder vertragliche Abschlagsanpassungsrecht der Beklagten unzumutbar beschneiden.

Sie ist der Ansicht, der Unterlassungsantrag des Klägers sei uferlos, da er ihr selbst unter Einbezug der Anlagen jedwede Abschlagserhöhung, auch gesetzlich zulässige, untersage. Der Antrag sei zudem nicht hinreichend bestimmt. Das gelte insbesondere auch für die Einbeziehung des „laufenden Abrechnungszeitraums“, dessen Länge sowie der Einseitigkeit der Abschlagserhöhung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31. Januar 2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe – Urteil gegen Fuxx

Die zulässige Klage ist ganz überwiegend begründet.


Der Antrag ist hinreichend bestimmt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darf nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ein Unterlassungsantrag und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist. Aus diesem Grund sind Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, grundsätzlich als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen. Abweichendes kann gelten, wenn entweder bereits der gesetzliche Verbotstatbestand selbst entsprechend eindeutig und konkret gefasst oder der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm durch eine gefestigte Auslegung geklärt ist, oder wenn der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert. Die Bejahung der Bestimmtheit setzt in solchen Fällen allerdings grundsätzlich voraus, dass zwischen den Parteien kein Streit darüber besteht, dass das beanstandete Verhalten das fragliche Tatbestandsmerkmal erfüllt. Die Wiedergabe des gesetzlichen Verbotstatbestands in der Antragsformulierung ist auch unschädlich, wenn sich das mit dem selbst nicht hinreichend klaren Antrag Begehrte im Tatsächlichen durch Auslegung unter Heranziehung des Sachvortrags des Klägers eindeutig ergibt und die betreffende tatsächliche Gestaltung zwischen den Parteien nicht infrage gestellt ist, sondern sich ihr Streit ausschließlich auf die rechtliche Qualifizierung der angegriffenen Verhaltensweise beschränkt. Eine auslegungsbedürftige Antragsformulierung kann im Übrigen hinzunehmen sein, wenn dies zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist (st. Rspr.; zuletzt BGH, Urteil v. 28. Juli 2022, I ZR 205/20, Abs. 12, „Servicepauschale“ unter Verweis auf BGH, Urteil vom 22. Juli 2021 – 1 ZR 194/20, GRUR 2021, 1534 [juris Rn. 34] = WRP 2021, 1556 – Rundfunkhaftung, mwN).

Diesen Anforderungen wird der Antrag – und entsprechend auch der Tenor – gerecht. Der Antrag verweist auf die beiden konkreten Verletzungsformen. Zur weiteren Klarstellung und Konkretisierung sind die Worte „ohne dass eine Preisänderung erfolgt ist“ aufgenommen worden. Eine irgendwie geartete Unklarheit, was der Beklagten verboten sein könnte, besteht daher nicht.

I.1.


Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der einseitig erklärten Abschlagserhöhungen bei Stromlieferverträgen wie im Klageantrag näher beschrieben gem. §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 UWG. Die Anschreiben Anl. K2 und K4 sind irreführend, da der Beklagten wegen der eingeschränkten Preisgarantie eine vertraglich zulässige Preiserhöhung aus den in den Anschreiben genannten Gründen nicht möglich war. Die Kammer folgt den Ausführungen des LG Berlin in einem parallel gelagerten Fall (Urteil v. 01.09.2022, Az.: 52 O 117/22, Abs. 5).

Die Beklagte handelt durch die Erklärung von Abschlagserhöhungen im laufenden Abrechnungszeitraums wie geschehen in Anlage K2 und K4 irreführend und damit unlauter gem. § 5 Abs. 1 UWG. Danach handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Gem. § 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthalt oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über den Anlass des Verkaufs wie das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird, oder die Bedingungen, unter denen die Ware geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist (nunmehr) nicht mehr allein auf irreführende Werbung beschränkt, sondern erfasst auch weitere geschäftliche Handlungen. Unter § 5 UWG fällt auch die Irreführung im Zusammenhang mit der Durchsetzung vertraglicher Ansprüche eines Unternehmens gegenüber seinem Vertragspartner, auch bei Verbrauchern, z.B. die Behauptung vertraglicher, zur Preiserhöhung berechtigender Preisänderungsregelungen oder unrichtige Angaben über die Höhe des Zahlungsanspruchs (Bornkamm/Feddersen in Kohler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 5 UWG Rn. 1.14). Das ist hier der Fall. Die Angaben der Beklagten waren unwahr und betrafen die Bedingungen der Stromlieferung i.S.d. § 5 Abs. 2 S. 2 UWG. Die Beklagte hat hier gegenüber ihren Kunden unrichtig angegeben, dass sie vertraglich zu den einseitigen Erhöhungen der monatlichen Abschlagszahlungen aufgrund der gestiegenen Beschaffungspreise berechtigt sei.

Die E-Mails der Beklagten an ihre Kunden waren auch geeignet i.S.d. § 5 Abs. 1 UWG, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Als Maßstab ist im Rahmen des § 5 UWG nach gefestigter Rechtsprechung auf den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher abzustellen, der den Angaben die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (Kohler/Bornkamm/Feddersen, aaO, § 5 UWG Rn. 1.76). Bei Schreiben an Kunden, die die – vertragswidrige – Erhöhung monatlicher (Abschlags-)Zahlungen ankündigen, obwohl eine solche angesichts einer nicht erfolgten Preiserhöhung nicht möglich sind, besteht grundsätzlich die Gefahr, dass die Kunden trotz fehlender vertraglicher Verpflichtung den Einzug der höheren Abschlagszahlungen dulden (so i.E. auch LG Berlin Urteil vom 01.09.2022 — 52 O 117/22, Rn. 22, 23 – GRUR-RS 2022, 30952). Das ändert sich auch nicht dadurch, dass im streitgegenständlichen Fall zwei Verbraucher den Abschlagserhöhungen widersprochen und die Lastschriftermächtigung widerrufen haben. Allein der Umstand, dass einzelne Verbraucher gegen ein vertrags- und/oder wettbewerbswidriges Verhalten eines Unternehmens vorgehen, lässt nicht darauf schließen, dass der ansonsten angesprochene, durchschnittlich informierte und sachkundige Verkehrskreis die Vertragswidrigkeit der angekündigten erhöhten Abschlagszahlung erkennt. Es wurde eine besonders verbraucherfeindliche Auslegung darstellen und u.U. die Ausübung vertraglicher und verbraucherschützender Rechte hemmen, wenn grundsätzlich auf die besonders aufmerksamen Verbraucher als Maßstab des Durchschnittsverbrauchers abgestellt werden würde, die unzulässigen, unlauteren Verhaltensweisen von Unternehmen widersprechen. Insbesondere konnte aufgrund der vagen Formulierung der Anschreiben von dem „monatlichen Zahlbetrag“ in Verbindung mit dem Hinweis auf gestiegene Preise auf dem Energiemarkt selbst durchschnittlich kundigen Verbrauchern nicht klar sein, ob es sich hier um eine Arbeitspreis-, Beschaffungspreis- oder Abschlagserhöhung oder eine Kombination solcher handelt. Vor allem mit Blick auf eine vereinbarte eingeschränkte Preisgarantie ist dem Durchschnittsverbraucher nicht unmittelbar klar, welche vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen Vorrang haben und gültig sind. Zudem sind die Komplexitäten des Energiemarktes für den Durchschnittsverbraucher allenfalls schemenhaft erfassbar.

2.


Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist nicht rechtsmissbräuchlich, weil die Unterlassungsforderung über den Unterlassungsanspruch des Klägers hinausging (§ 8c Abs. 2 Ziff. 5
UWG).

Die wegen Missbrauchs unzulässige Geltendmachung des Anspruchs durch Abmahnung führt dazu, dass auch eine nachfolgende Klage und ein nachfolgender Verfügungsantrag unzulässig sind (vgl. BGHZ 149, 371 (379) = GRUR 2002, 357 (359) – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; BGH GRUR 2002, 715 (717) – Scanner-Werbung; BGH WRP 2012, 930 Rn. 47 – Bauheizgerät; BGH GRUR 2013, 176 Rn. 16 – Ferienluxuswohnung; BGH GRUR 2016, 961 Rn. 18 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon; BGH GRUR 2019, 199 Rn. 20 – Abmahnaktion I!). Es ist also im nachfolgenden Verfahren nicht mehr zu prüfen, ob die Klage ihrerseits ebenfalls missbräuchlich erhoben wurde (Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, aaO § 8c UWG, Rn. 7).

Gem. § 8c Abs. 2 Nr. 5 UWG ist eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung im Zweifel anzunehmen, wenn eine vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.

Auch dieses Indiz ist in der Rechtsprechung bereits bei der Prüfung des Rechtsmissbrauchs herangezogen worden, weil ein Gläubiger, der eine über das notwendige Maß hinausgehende Unterwerfung initiiert, die Gefahr eines Verstoßes und damit die Aussicht auf eine Vertragsstrafe vergrößert (vgl. BGH GRUR 2012, 730 Rn. 26 ff. – Bauheizgerät); allerdings ist hier – ähnlich wie bei der Frage eines überhöhten Vertragsstrafeverlangens – zu berücksichtigen, dass die für die Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche Bestimmung der richtigen Reichweite einer Unterlassungsverpflichtung im Einzelfall durchaus schwierig sein kann; mit Blick auf die Gesetzeshistorie gilt hier, dass nur ein in unvertretbarer Weise zu weit gefasstes Unterwerfungsverlangen im Zusammenwirken mit anderen Indizien, etwa einem überhöhten Vertragsstrafeverlangen, den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs begründen kann, unbeschadet des Umstands, dass es nicht Sache des Abmahnenden, sondern des Abgemahnten ist, die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche Erklärung abzugeben (Köhler/Bornkamm/Feddersen, aaO, § 8c UWG, Rn. 21).

Dies ist hier nicht der Fall. Der Umstand, dass die vorformulierte Unterlassungserklärung womöglich etwas zu weit ging, führt nicht zu einer Rechtsmissbräuchlichkeit. Denn in erster Linie ist es Sache des Verletzten, eine Verpflichtungserklärung in dem Umfang abzugeben, dass die Wiederholungsgefahr beseitigt ist.


3.


Auch die weiteren Einwendungen der Beklagten sind unbegründet. Was genau die Beklagte zu ihren Gunsten aus dem Vortrag zu ihrem Fullfillment-Unternehmen herleiten will, erschließt sich nicht. Offensichtlich bedient sie sich dieses Unternehmens zur Abwicklung der Verträge und hat sich dementsprechend dessen Verhalten zurechnen zu lassen. Abgesehen davon wäre es auch Sache der Beklagten gewesen, Anweisungen an beauftragte Unternehmen zu geben, dass die Kunden nicht in die Irre geführt werden.

Unbeachtlich ist auch das Bestreiten der Verbrauchereigenschaft der beiden betroffenen Kunden XXX und XXX. Die Beklagte ist Vertragspartner beider Personen und hat, wie aus den Anl. K1 und K3 ersichtlich ist, bei Vertragsschluss die Kunden über ihr Widerrufsrecht als Verbraucher (§ 13 BGB) belehrt. Es ist auch im Übrigen nichts ersichtlich, warum es sich bei den Kunden um Unternehmen handeln sollte. Hierzu hat die Beklagte auch nichts vorgetragen.

Il.


Ein Anspruch auf Zahlung der Abmahnkosten besteht hingegen nicht. Nach § 13 Abs. 3 UWG kann der Abmahnende den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen nur verlangen, wenn die Abmahnung berechtigt ist und den Anforderungen u.a. des § 13 Abs. 2 Nr. 4 UWG entspricht. Eine Abmahnung muss den Sachverhalt, aus dem sich aus der Sicht des Abmahnenden der Wettbewerbsverstoß ergibt, insbesondere die konkrete Verletzungshandlung mitteilen sowie den daraus abgeleiteten, tatsächlichen und rechtlichen Vorwurf angeben mit derartiger Genauigkeit, dass dem Abgemahnten ohne weiteres tatsächlich und rechtlich eine Überprüfung der Beanstandung möglich ist (LG Berlin Urteil vom 01.09.2022 – 52 O 117/22, Rn. 27 – GRUR-RS 2022, 30952 mit Verweis auf Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Brüning, UWG, 5. Aufl., 2021, § 13, Rn. 39 m.w.N.). Die Abmahnung muss den Abgemahnten in die Lage versetzen, das als wettbewerbswidrig bezeichnete Verhalten unter den in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen und daraus die nötigen Folgerungen zu ziehen, auch wenn der Wettbewerbsverstoß in rechtlicher Hinsicht nicht richtig und umfassend beurteilt zu werden braucht (Kohler/Bornkamm/Feddersen, aaO, § 13 Rn. 16 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn ein Anspruch auf Unterlassung aus §§ 8, 3, 3a UWG i. V. mit § 41 b Abs. 3 EnWG bzw. § 2 UKIaG i. V. mit § 41b Abs. 3 EnWG, der in der Abmahnung ausschließlich geltend gemacht wurde, besteht nicht.

Es liegt schon kein Verstoß gegen § 41b Abs. 3 EnWG vor. Anders als der für die Stromgrundversorgung geltende § 13 Abs. 2 StromGVV wird dort keine Regelung darüber getroffen, unter welchen Voraussetzungen und wie der Versorger die Abschlagszahlungen anpassen kann und damit nicht die Frage geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Versorger bei während des Abrechnungszeitraums
erfolgenden Preisänderungen Abschlagszahlungen ändern kann (LG Berlin Urteil vom 01.09.2022 – 52 O 117/22, Rn. 19 – GRUR-RS 2022, 30952). Denn die Vorschrift sieht nach ihrem Wortlaut nur vor, dass sich bei Vereinbarung einer Voraus- oder Abschlagszahlung durch ein Energieunternehmen diese nach dem Verbrauch des vorhergehenden Abrechnungszeitraums oder dem durchschnittlichen Verbrauch vergleichbarer Kunden richtet. Sie steht auch nach ihrem Sinn und Zweck nicht einer Änderung der Abschlagshöhe bei zugleich gestiegenen Arbeits- und Beschaffungspreisen, die in einer – zulässigen – Preiserhöhung resultieren, in einem laufenden Abrechnungszeitraum entgegen. Die von ihr ausdrücklich vorgesehenen Voraus- und Abschlagszahlungen dienen dazu, im Sinne der Verbraucherfreundlichkeit die Konfrontation der Kunden mit möglichst geringen Nachzahlungen zu gewährleisten.


Ill.


Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs.2 ZPO. Bei den Abmahnkosten handelt es sich um eine Nebenforderung, die beim Streitwert unberücksichtigt bleibt. Die Umstellung des Antrags in der mündlichen Verhandlung war nur klarstellender Art und enthielt keine Teilklagrücknahme.


Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Urteil gegen Fuxx-Die Sparenergie GmbH vom 31.01.2023 – 312 O 61/22