Urteil Mivolta: Unzulässige Telefonwerbung

LG München – Urteil Mivolta – vom 01.12.2017, Az. 37 O 5551/17


In dem Rechtsstreit
Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V.
gegen
mivolta GmbH

erlässt das Landgericht München durch die Richterin am Landgericht aufgrund der = mündlichen Verhandlung vom 25.10.2017 folgendes Endurteil

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis € 250.000 oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten – Ordnungshaft auch für den Fall, dass ein Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann und zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten –

zu unterlassen,

private Endverbraucher ohne deren vorherige ausdrückliche Einwilligung zum Zweck der Werbung und / oder der Anbahnung von Geschäftsabschlüssen im Bereich von Energieversorgungsverträgen im privaten Bereich anzurufen oder anrufen zu lassen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IIl. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar in Ziffer 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.500,-€, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.

Beschluss – Urteil Mivolta

Der Streitwert wird auf 15.000,00 € und ab dem 06.09.2017 auf 7.500,-€ festgesetzt.

Tatbestand – Urteil Mivolta

Die Parteien streiten bezüglich der Unterlassung von Telefonanrufen zu Werbezwecken ohne Einwilligung der Angerufenen. Der Kläger ist ein Verbraucherverband. Er ist als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 UKlaG anerkannt.

Die Beklagte beliefert Endverbraucher mit Strom und Gas und betreibt einen Telemediendienst unter www.mivolta.de.

Der Kläger macht geltend, dass 11 Personen durch die Beklagte, bzw. ihre Mitarbeiter zu Werbezwecken angerufen worden seien ohne deren vorheriges Einverständnis. Zu den Einzelheiten der geschilderten Anrufe wird Bezug genommen auf die Klageschrift, Bl. 4-7 der Akte.

Die Verbraucher XY haben keine Einwilligung zu Anrufen durch die Beklagte zu Werbezwecken erteilt. Der Verbraucher XY nahm an einem Gewinnspiel der Beklagten teil. Im Zuge dessen speicherte die Beklagte seine Adressdaten. Hier ist unter der Rubrik „Einwilligung für gewerbliche Ansprache“ die Antwort „Nein“ vermerkt.

Der Kläger mahnte die Beklagte am 06.10.2016 ab. Daraufhin kam es zu Verhandlungen der Parteien, die bis zum bis zum 13.02.2017 stattfanden. Am 28.04.2017 erhob der Kläger Klage.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Der Kläger behauptet, dass die Anrufe von der Beklagten herrührten und Einwilligungen nicht vorgelegen hätten.

So sei XY aus Duisburg am 21.12.2016 gegen 10.30 Uhr durch die Beklagte ohne ihr Einverständnis angerufen worden von der Rufnummer 089 785619758 aus. Es sei ihr von einer Mitarbeiterin namens XY mitgeteilt worden, dass sie ihren Strom auf „Mivolta“ umgestellt habe. Frau XX habe das Gespräch beendet, nachdem sie den Namen der Anruferin sowie des anrufenden Unternehmens erfragt hatte.

Darüber hinaus sei am 26.07.2016 der Verbraucher XY aus Marl von der Beklagten ohne seine vorherige Einwilligung angerufen worden. Die Rufnummer der Anruferin lautete 089 74371382. Die Anruferin habe ihm einen Stromlieferungsvertrag mit der Beklagten anbieten wollen. Der Name der Beklagten sei explizit genannt worden. Der Verbraucher habe daraufhin das Gespräch beendet.

Der Kläger beantragt zuletzt,

die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen private Endverbraucher ohne deren vorherige ausdrückliche Einwilligung zum Zweck der Werbung und/oder der Anbahnung von Geschäftsabschlüssen im Bereich von Energieversorgungsverträgen im privaten Bereich anzurufen oder anrufen zu lassen.

Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.

Die Beklagte behauptet, einen Teil der von der Klageseite behaupteten Anrufe schon gar nicht getätigt oder veranlasst zu haben. Sie führt aus, dass sie die Rufnummern, unter der die Beklagte u.a. die Verbraucher XY angerufen haben soll, nicht zuordnen könne. Insbesondere bei der Verbraucherin Frau XY habe eine Nachfrage bei einer Frau XY, die bei ihrer Vertriebspartnerin arbeite, ergeben, dass diese Frau XY nicht angerufen habe und dort keine Daten über sie gespeichert seien. Die Beklagte habe für alle von dem Kläger angegebenen Verbraucher Recherchen vorgenommen und könne die behaupteten Anrufe nicht nachvollziehen. Schon deshalb sei nicht nachgewiesen, dass die Anrufe von der Beklagten stammten bzw. veranlasst worden seien.

Zudem behauptet die Beklagte, dass – zumindest teilweise – die Zustimmung der Angerufenen vorliege.

Insbesondere habe der Verbraucher XY ausdrücklich seine Zustimmung erteilt. Auch die Angerufenen XY hätten der Beklagten für Anrufe zu Werbezwecken ihre Einwilligung erteilt.


Die Beklagtenseite vertritt die Auffassung, dem Kläger fehle die Aktivlegitimation.


Darüber hinaus meint sie, dass aufgrund einer fehlerhaften Umsetzung der Richtlinie Art. 13 RL 2002/58/EG, ein „hartnäckig“ in den deutschen Gesetzestext des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG hineingelesen werden müsse. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zudem sei zur Klärung dieser Frage eine EuGH-Vorlage angezeigt.

Der Kläger hat zunächst auch noch den – auf eine konkret abgebildete Verletzungshandlung bezogenen – Antrag gestellt, es der Beklagten strafbewehrt zu verbieten, im Rahmen geschäftlicher Handlungen, privaten Endverbrauchern im Zusammenhang mit dem tatsächlichen oder angeblichen Abschluss von Energieversorgungsverträgen im Fernabsatz eine Widerrufsbelehrung zu erteilen, die entgegen den gesetzlichen Anforderungen keine Angaben zu Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse der Beklagten enthält, sowie den Antrag, die Beklagte zur Erstattung von vorgerichtlichen Anwaltsgebühren in Höhe von 260,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.04.2017 zu verurteilen. Da die Beklagte diese beiden Anträge anerkannt hat, ist hierzu am 06.09.2017 Teil-Anerkenntnisurteil ergangen.


Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2017, in der der Beklagtenvertreter weitere Unterlagen vorlegt hat, wird im Übrigen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe – Urteil Mivolta

Die zulässige Klage ist, soweit über sie noch zu entscheiden war, begründet.

A. Unterlassungsanspruch

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 7 Abs. 1, 2 Nr. 2 UWG.

1. Aktivlegitimation

Der Kläger ist zwar nicht als Mitbewerber gem. § 8 Abs. 3 Ziff. 1 UWG aber als Verbraucherzentrale gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, § 4 UKlaG aktivlegitimiert (so auch LG Köln, 28.10.2010, 31 O 76/10, Rn. 39 zitiert nach juris).

2. Unzumutbare Belästigung
Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist eine Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung stets als unzumutbare Belästigung anzusehen und daher gemäß §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 1 Satz 1 UWG zu unterlassen. Gegen dieses Belästigungsverbot hat die Beklagte verstoßen.


2.1 Die Beklagte ließ bei dem Verbraucher XY ohne dessen Einwilligung anrufen. Zwar behauptet die Beklagte eine Einwilligung, konnte diese jedoch nicht beweisen. Die Beklagte ist für das Vorliegen einer Einwilligung darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastet (OLG München, Urteil vom 26. Januar 2017 – 29 U 3841/16 -, Rn. 21, juris). Bei der Teilnahme von Herrn XY an einem Gewinnspiel der Beklagten
ist unter der Rubrik „Einwilligung für gewerbliche Ansprache“ die Antwort „Nein“ vermerkt. Eine Einwilligung konnte die Beklagte daher mit der vorgelegten Anlage gerade nicht beweisen.

2.2 Die Kammer geht auch davon aus, dass die Beklagte bei der Verbraucherin XY angerufen hat. Zwar führt die Beklagte aus, dass sie die Rufnummer 74371382, unter der der Anruf erfolgte, nicht zuordnen kann. Aufgrund der Call-ID-Spoofing-Möglichkeiten stellt dieser Vortrag jedoch kein ausreichendes Bestreiten dar. Vortrag dazu, dass die Beklagte und ihre Vertriebsstruktur Call-ID-Spoofing-Möglichkeiten
ausschließen kann, findet sich nicht. Warum eine Zuordnung für sie trotz der Angaben des Klägers nicht möglich ist, hat sie nicht näher erläutert. Allein der Vortrag, dass die Beklagte nach Recherche nicht fündig geworden sei ohne nähere Angaben dazu, wo und wie die Daten gespeichert bzw. genutzt werden, reicht für ein substantiiertes Bestreiten angesichts der konkreten klägerischen Angaben nicht aus. Aufgrund der angegebenen Einzelumstände (Zeitpunkt des Anrufs sowie Namen mit Adresse) war daher von einem
nicht ausreichenden Bestreiten der Beklagten auszugehen und der Vortrag der Klageseite zu Grunde zu legen, dass der Anruf der Beklagten zuzuordnen war. Eine Einwilligung wird von der Beklagten für XY auch nicht behauptet.


2.3 Gleiches gilt für die Anrufe bei den Verbrauchern XY (unter der Rufnummer XY) und XY, bei denen die Beklagte ebenso allein ihre Tätereigenschaft bzw. die Zuordnung der Telefonnummer zu sich verneint hat.

2.4 Hinsichtlich der angerufenen Verbraucher XY zu denen in der mündlichen Verhandlung Unterlagen für die behaupteten Einwilligungen vorgelegt wurden, kann offen bleiben, ob diese Unterlagen im Einzelnen ausreichen. Für den Nachweis des Einverständnisses ist es jedenfalls erforderlich, dass der Werbende die
konkrete Einverständniserklärung jedes einzelnen Verbrauchers vollständig dokumentiert, was im Fall einer elektronisch übermittelten Einverständniserklärung deren Speicherung und die jederzeitige Möglichkeit eines Ausdrucks voraussetzt (BGH, 10.02.2011, I ZR 164/09, Rn. 31 zitiert nach juris). Ob vor diesem Hintergrund die für diese Verbraucher von der Beklagten vorgelegten Anlagen eine vorherige Einwilligung belegen, kann dahinstehen, denn zumindest bei den Zeugen XY liegt kein Einverständnis vor.

3. Verjährung

Die Einrede der Verjährung, für die die Beklagtenseite die Darlegungs- und Beweislast trägt, hat keinen Erfolg. Es liegt keine Verjährung vor. Gemäß § 11 Abs. 1 UWG beträgt die Verjährungsfrist 6 Monate. Maßgebend für den Beginn der Verjährungsfrist ist gem. § 11 Abs. 2 UWG der Zeitpunkt, an dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Die von der Klageseite geschilderten Anrufe
datieren im Wesentlichen auf den 16.06.2016 oder später. Von zeitlich früheren Anrufen hat die Klägerin nach eigenen Angaben erst ab August 2016 Kenntnis erlangt. Dem ist die Beklagtenseite nicht substantiiert entgegengetreten und hat auch keinen entsprechenden Beweis angetreten.
Ausgehend von dem 16.06.2016 war zum Zeitpunkt der Abmahnung vom 6.10.2016 die sechsmonatige Verjährung noch nicht eingetreten. Durch die sich hieran anschließenden Vergleichsverhandlungen wurde die Verjährung gem. § 203 BGB unterbrochen. Unstreitig verhandelten die Parteien bezüglich eines Vergleiches zumindest bis zum 13.02.2017. Eine Verjährung wäre demnach erst drei Monate nach Beendigung der Vergleichsverhandlungen eingetreten. Da die Klage noch im April 2017 zugestellt wurde,
war die Verjährung noch nicht eingetreten.

4. Keine Vorlage an den EuGH

Die Regelungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, wonach Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern generell nur nach vorheriger ausdrücklicher Einwilligung zulässig ist, steht mit dem Unionsrecht in Einklang (BGH 10.02.2011, IZR 164/09, Leitsatz 1, zitiert nach juris). Eine Vorlage an den EuGH ist deshalb nach Auffassung der Kammer nicht angezeigt. Die von Dr. Köhler angesprochene richtlinienkonforme Auslegung dergestalt, dass in die Tatbestände des § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG, soweit es Verbraucher betrifft, das Merkmal „hartnäckig“ hineinzulesen sei, verwirft Dr. Köhler sogleich wieder mit dem
Argument, dass dies auf eine unzulässige Auslegung contra legem und eine Verkürzung des Rechtsschutzes nach Art. 13 Abs. 1 und 3 RL 2002/58/EG hinausliefe (Köhler, WRP 2017, 1030).


B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

C. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

Urteil Mivolta vom 01.12.2017, Az. 37 O 5551/17

Urteil Mivolta