Preiserhöhung durch Primastrom

Beschluss der Bundesnetzagentur vom 31.08.2022 – Az. BK6-22-203


In dem Aufsichtsmaßnahmenverfahren

zur Überprüfung des Verhaltens der

primastrom GmbH, vertreten durch die Geschäftsführung,

Großbeerenstraße 2-10, 12107 Berlin
– Betroffene –
Verfahrensbevollmächtigte: Kurz Pfitzer Wolf & Partner Rechtsanwälte mbB, Königstraße 40, 70173 Stuttgart
wegen: Verstoß gegen gesetzliche Vorgaben bei Preiserhöhungen gegenüber Haushaltskunden

hat die Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, Tulpenfeld 4, 53113 Bonn, gesetzlich vertreten durch ihren Präsidenten Klaus Müller,
durch den Vorsitzenden Christian Mielke, den Beisitzer Dr. Jochen Patt und den Beisitzer Jens Lück
am 31.08.2022 beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass die Betroffene gegen die gesetzliche Verpflichtung aus § 41 Abs. 5 S. 2 EnWG verstoßen hat, indem sie gegenüber Haushaltskunden Preiserhöhungen vorgenommen hat, ohne diese spätestens einen Monat vor Eintritt der beabsichtigten Änderung hierüber zu unterrichten.
  2. Die Betroffene wird verpflichtet, soweit noch nicht geschehen, die auf Basis der Schreiben vom 28.12.2021 gegenüber betroffenen Haushaltskunden vorgenommenen Preismaßnahmen bis zum 01.10.2022 zurückzunehmen und rückabzuwickeln.
  3. Der Betroffenen wird für den Fall, dass sie der Verpflichtung gemäß Tenorziffer 2 nicht nachkommt, ein Zwangsgeld in Höhe von 100.000 EUR angedroht.
  4. Eine Entscheidung über die Kosten bleibt vorbehalten

Gründe
I.
Gegenstand des Aufsichtsmaßnahmenverfahrens ist die Fragestellung, ob die von der Betroffenen mit Schreiben vom 28.12.2021 gegenüber zahlreichen Haushaltskunden vorgenommenen Preiserhöhungen zum 01.01.2022 mit den Bestimmungen des Energiewirtschaftsgesetzes (im Folgenden: EnWG) vereinbar sind.


1.) Die Betroffene ist Energielieferantin und beliefert ca. XXX Kunden mit Gas und ca. XXX Kunden mit Strom. Mit am 17.01.2011 eingegangenem Schreiben hat die Betroffene gegenüber der Bundesnetzagentur die Tätigkeit als Energielieferantin (Strom) nach § 5 EnWG angezeigt. Mit am 09.02.2015 eingegangenem Schreiben hat die Betroffene gegenüber der Bundesnetzagentur die Ausdehnung der Tätigkeit als Energielieferantin auf den Bereich Gas angekündigt und die entsprechende Anzeige nach § 5 EnWG vorgenommen. Eine Beendigungsanzeige lag der Bundesnetzagentur zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht vor. Die Betroffene tritt gegenwärtig am Markt unter der Marke primastrom auf.

Im Verlauf des Jahres 2021 zeigte sich ein deutlicher und kontinuierlicher Preisanstieg für eine Megawattstunde Gas am Großhandelsmarkt. Infolge dessen stiegen auch die Beschaffungskosten für Strom. Die gestiegenen Beschaffungskosten an den Großhandelsmärkten wirkten und wirken sich für zahlreiche Energieversorger herausfordernd aus. Mit Schreiben vom 28.12.2021 wandte sich die Betroffene an verschiedene Haushaltskunden, mit denen vertragliche Beziehungen zur Belieferung mit Strom bzw. Gas bestanden. Den Betreff dieser Schreiben bezeichnete die Betroffene mit „Preis- und Vertragsinformationen“. Im Rahmen des Schreibens führte die Betroffene auf Seite 1 zunächst verschiedene Aspekte an, die einen Einfluss auf die Preisbildung am Energiemarkt haben. Gegenüber Haushaltskunden, die mit Strom beliefert wurden, benannte die Betroffene hier etwa Steuern und Umlagen, Netzentgelte, den Börsenstrompreis und die EEG-Umlage. Gegenüber Haushaltskunden, mit denen ein Belieferungsverhältnis für Gas bestand, verwies die Betroffene auf leere Gasspeicher, die Gaspreisentwicklung und steuerlich bedingte Preisanstiege. Auf der Folgeseite des Schreibens schlüsselte die Betroffene gegenüber den adressierten Haushaltskunden die jeweiligen Preisbestandteile in Cent/kWh auf, bevor der jeweilige Grundpreis pro Jahr, der Grundpreis pro Monat sowie der Verbrauchspreis pro Kilowattstunde zusammenfassend benannt wurde. Diese tabellarische Aufstellung wies insgesamt sechs Spalten auf. Die ersten beiden Spalten waren mit der Überschrift „Bis 31.12.2021“ versehen, die letzten beiden Spalten mit der Überschrift „Ab 01.01.2022“. Zwischen diesen Spalten befanden sich in der Mitte zur Absetzung zwei leere Spalten. Im Anschluss an diese tabellarische Darstellung folgte eine grafische Darstellung der Entwicklung der durchschnittlichen Strombeschaffungskosten an der Leipziger EEX unter Bezug auf den Zeitraum von 2020 – 2022. Unter der Überschrift „Was heißt das für Sie als primastrom-Kunden“ führte die Betroffene sodann aus, dass sie die neuen Preise aufgrund des drastischen Anstiegs der Beschaffungskosten anpassen müsse und dass die adressierten Haushaltskunden die neuen Preispunkte der vorherigen Preistabelle entnehmen könnten.

Anlässlich dieser Schreiben kam es zu zahlreichen Beschwerden von Haushaltskunden beim Verbraucherservice Energie der Bundesnetzagentur, beim Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (im Folgenden: vzbv) sowie bei den jeweiligen Verbraucherzentralen der Länder. Die Bundesnetzagentur nahm diese Beschwerden zum Anlass, weitere Sachverhaltsermittlungen vorzunehmen und wandte sich ab dem 21.04.2022 mit Schreiben an die Haushaltskunden, die eine Beschwerde beim Verbraucherservice Energie der Bundesnetzagentur eingereicht hatten. Im Rahmen dieser Schreiben bat die Bundesnetzagentur um die Zusendung der eingegangenen Preiserhöhungsschreiben der Betroffenen vom 28.12.2021. Darüber hinaus bat die Bundesnetzagentur um Mitteilung, ob am 28.12.2021 und im Januar 2022 noch ein Belieferungs-bzw. Vertragsverhältnis mit der Betroffenen bestanden habe und ob es zwischenzeitlich zu einer Rücknahme der angekündigten Preiserhöhung gekommen sei. Auch der vzbv und die Verbraucherzentralen der Länder haben sich zum Zweck der Sachverhaltsermittlung mit Rückfragen und der Bitte um Zurverfügungstellung von Nachweisen an diejenigen Haushaltskunden gewandt, die jeweils bei ihnen Beschwerden aufgrund der Preiserhöhungsschreiben der Betroffenen eingereicht hatten. Die eingegangenen Antworten wurden der Bundesnetzagentur vom vzbv und den Verbraucherzentralen übermittelt. Im Zuge dieser umfassenden Sachverhaltsermittlung erfolgten von den nachfolgend aufgeführten Haushaltskunden verwertbare Rückmeldungen und Nachweise über die von der Betroffenen vorgenommenen Preiserhöhungen vom 28.12.2021 mit Wirkung zum 01.01.2022:

1. Fall: XXX

(…)

119. Fall: XXX


Die vorab benannten Haushaltskunden konnten gegenüber der Bundesnetzagentur bzw. gegenüber dem vzbv und den Verbraucherzentralen der Länder nachweisen, dass sie Adressaten des streitgegenständlichen Schreibens der Betroffenen vom 28.12.2021 waren. Des Weiteren legten sie dar, dass zum Zeitpunkt des Schreibens vom 28.12.202 ein vertragliches Verhältnis für die Belieferung mit Strom bzw. Gas mit der Betroffenen bestand. Eine Rücknahme der mit Schreiben vom 28.12.2021 angekündigten Preisanpassungen sei bis zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme durch die Bundesnetzagentur bzw. durch den vzbv und die Verbraucherzentralen der Länder nicht erfolgt. Darüber hinaus ließ sich aus den Stellungnahmen der genannten Haushaltskunden bzw. aus den eingereichten Nachweisen entnehmen, dass die Betroffene zumindest mit einem Teil der benannten Haushaltskunden einen Vertrag mit eingeschränkter Preisgarantie abgeschlossen hatte (vgl. exemplarisch und nicht abschließend etwa Fall 3, Fall 19 oder Fall 22).

Anlässlich dieser Ausführungen eröffnete die Beschlusskammer gegenüber der Betroffenen mit Schreiben vom 24.05.2022 die Einleitung eines Aufsichtsmaßnahmenverfahrens und gab dieser Gelegenheit, zu den vorgebrachten Vorwürfen Stellung zu beziehen. Auf Antrag vom 03.06.2022 hin gewährte die Beschlusskammer der Betroffenen eine Fristverlängerung zur Stellungnahme bis zum 23.06.2022. Am 23.06.2022 beantragte die Betroffene eine nochmalige Fristverlängerung bis zum 29.06.2022. Nach entsprechender Bewilligung durch die Beschlusskammer nahm die Betroffene mit Schreiben vom 29.06.2022 Stellung zu dem unterbreiteten Sachverhalt und regte die Einstellung des Verfahrens nach § 73 Abs. 2 EnWG an.

Nach Ansicht der Betroffenen bestehe keine Widerholungsgefahr. Es könne zugesichert werden, dass Ankündigungsfristen zukünftig gewahrt werden würden. Weiterhin führt die Betroffene an, dass negative Auswirkungen für betroffene Haushaltskunden teilweise unterblieben seien bzw. dass diese Auswirkungen nunmehr kompensiert werden würden. Bei einem Teil der aufgeführten Haushaltskunden seien die angekündigten Preiserhöhungen nicht eingerichtet oder geltend gemacht worden. Dies betreffe etwa die
Kundin XXX. Im Übrigen seien für betroffene Haushaltskunden bereits neue Abrechnungen erstellt oder Gutschriften erteilt worden bzw. die Erstellung neuer Abrechnungen und die Erteilung von Gutschriften werde nunmehr erfolgen. Ausführungen dazu, warum gegenüber den betroffenen Haushaltskunden mit Schreiben vom 28.12.2021 überhaupt eine Preiserhöhung zum 01.01.2022 vorgenommen wurde bzw.
warum diese gerechtfertigt gewesen sein könnte, erfolgten nicht.

2.) Die Bundesnetzagentur hat die zuständige Landesregulierungsbehörde am 24.05.2022 gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 EnWG über die Verfahrenseinleitung informiert.

3.) Wegen der weiteren Einzelheiten wird vollständig auf den Inhalt der Verfahrensakte Bezug genommen.

II.
Durch die mit Schreiben vom 28.12.2021 vorgenommenen Preiserhöhungen mit Wirksamkeit zum 01.01.2022 verstößt die Betroffene gegen die gesetzliche Verpflichtung aus §41Abs.5S. 2 EnWG.

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1.1 Der vorliegende Beschluss stützt sich hinsichtlich der Tenorziffern zu 1. und 2. auf die §§ 65 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. 41 Abs. 5 S. 2 EnWG als Rechtsgrundlage.

1.2 Die Zuständigkeit der Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde für die vorliegende Entscheidung folgt aus § 54 Abs. 1 Hs. 1 EnWG. Die Beschlusskammer ist zur Entscheidung gemäß § 59 Abs. 1 S. 1 EnWG ermächtigt.

1.3 Durch die Möglichkeit zur Stellungnahme hat die Beschlusskammer der Betroffenen nach § 67 Abs. 1 EnWG die Möglichkeit gegeben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Von der Möglichkeit der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung hat die Beschlusskammer im hiesigen Verfahren abgesehen, da die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen und Standpunkte bereits schriftlich ausgetauscht wurden. Nach Überzeugung der Beschlusskammer wäre von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung kein weiterer Zugewinn erheblicher Informationen zu erwarten gewesen.

2
2.1 Im vorliegenden Fall ist das Einschreiten der Bundesnetzagentur insbesondere aufgrund der Betroffenheit schützenswerter Verbraucherbelange in einer erheblichen Größenordnung von nahezu 120 bundesweit gleichgelagerten und bekannten Fällen geboten. Hierbei dürfte, ohne dass es angesichts dieser bereits erheblichen Größenordnung darauf ankommt, davon auszugehen sein, dass dies nur die aus den Verbraucherbeschwerden nachweisbare Fallzahl betrifft, so dass die Dunkelziffer erheblich höher liegen dürfte. Unter anderem in Teil 4 des EnWG (Energielieferungen an Letztverbraucher) finden sich zahlreiche Rechtsnormen, die dem Schutz von Verbrauchern dienen und deren Wahrung durch die Bundesnetzagentur kontrolliert werden kann. Gerade in der zum streitgegenständlichen Zeitpunkt herrschenden Marktsituation, die durch hohe Preise, Unsicherheiten und gewisse Verwerfungen im Energiemarkt gekennzeichnet war, waren die Belange von Haushaltskunden als Verbraucher besonders schutzwürdig und zu beachten. In einem derartigen Umfeld kommt den im EnWG enthaltenden Informationspflichten gegenüber Verbrauchern eine wichtige Rolle zu, um Transparenz zu schaffen und Verbrauchern gewisse Reaktionszeiten für informierte Entscheidungen zu ermöglichen. Insbesondere vor dem Hintergrund einer strukturellen Unterlegenheit von Haushaltskunden gegenüber gewerblichen Energielieferanten können Informationspflichten auch dazu beitragen, eine einseitige Risikoverteilung zu Lasten von Haushaltskunden zu minimieren und deren Handlungsspielräume aufgrund einer transparenten Informationslage zu vergrößern. Aufgrund der hohen Anzahl von bei der Bundesnetzagentur, dem vzbv und den Verbraucherzentralen der Länder schriftlich und mündlich aus dem gesamten Bundesgebiet eingegangener Beschwerden von Haushaltskunden, von denen nur eine Auswahl zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens erhoben wurde, ist nicht nur von einzelnen Verstößen, sondern vielmehr von einem systematisch angelegten Vorgehen der Betroffenen auszugehen. Für die systematische Vorgehensweise spricht auch, dass von den betroffenen Haushaltskunden wortlautidentische Anschreiben der Betroffenen vorgelegt wurden.

2.2 Indem die Betroffene gegenüber den aufgeführten Haushaltskunden die Preise mit Schreiben vom 28.12.2021 zum 01.01.2022 erhöht hat, hat sie gegen § 41 Abs. 5 S. 2 EnWG verstoßen. Nach § 41 Abs. 5 S. 2 EnWG sind Energielieferanten verpflichtet, über Preisänderungen spätestens zwei Wochen, bei Haushaltskunden spätestens einen Monat, vor Eintritt der beabsichtigten Änderung zu unterrichten. Bereits aufgrund des Betreffs („Preis-und Vertragsinformationen“) sowie aufgrund der Nennung alter und neuer Arbeits-und Grundpreise kann das Schreiben der Betroffenen vom 28.12.2021 nach dem objektiven Empfängerhorizont nur als Unterrichtung über geänderte Preise verstanden werden. Aus der tabellarischen Darstellung auf Seite 2 des streitgegenständlichen Schreibens der Betroffenen ergibt sich, dass die Preisänderung bereits zum 01.01.2022 erfolgen sollte. Bei den vorab benannten Adressaten des Schreibens der Betroffenen vom 28.12.2021 handelt es sich auch ausschließlich um Haushaltskunden. Anders als nach § 41 Abs. 5 S. 2 EnWG gesetzlich vorgesehen ist die Unterrichtung über geänderte Preise auch nicht spätestens einen Monat vor Eintritt der geplanten Änderung erfolgt, sondern mit einer Vorlaufzeit von lediglich drei Tagen. Dies wird von der Betroffenen in der Erwiderung vom 29.06.2022 auch nicht bestritten und demnach eingestanden. Bezüglich eines Verstoßes gegen die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen nach § 41 Abs. 5 S. 2 EnWG ist es auch nicht relevant, ob eine angekündigte Preiserhöhung im Nachgang tatsächlich vollzogen wird. Insofern verdeutlicht bereits der Wortlaut „unterrichten“, dass § 41 Abs. 5 S. 2 EnWG eine eigenständige Informationsverpflichtung normiert. Die tatsächliche Durchführung angekündigter Preismaßnahmen ist hingegen kein Tatbestandsmerkmal der Informationsverpflichtung gemäß § 41 Abs. 5 S. 2 EnWG.


Die Beschlusskammer hat das ihr gem. § 65 Abs. 1, Abs. 3 EnWG zustehende Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung und im Rahmen der gesetzlichen Grenzen fehlerfrei ausgeübt, vgl. § 40 VwVfG.

Die Feststellung zu Ziffer 1. dient der Schaffung von Rechtsklarheit und der Erhöhung von Transparenz. Hierzu ist die Beschlusskammer nach § 65 Abs. 3 EnWG auch befugt. Sofern die zugrundeliegende Zuwiderhandlung bereits beendet ist, ergibt sich dies bereits unmittelbar aus dem Wortlaut von § 65 Abs. 3 EnWG selbst. Gleiches gilt für Konstellationen noch andauernder Zuwiderhandlungen. Auch hier ist die Beschlusskammer zur Feststellung befugt. Insofern ist vor allem auf das Urteil EnVR 104/19 des BGH zu verweisen. In diesem führt der BGH aus, dass „die Feststellung der Rechtswidrigkeit (…) zentrales und immanentes Begründungselement jeder Abstellungsverfügung“ sei. Da der Erlass einer Abstellungsverfügung unstrittig bei noch andauernden Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des EnWG möglich ist, ist nach dem BGH die Feststellung der Rechtswidrigkeit somit auch bei noch nicht beendeten Sachverhaltskonstellationen möglich und zulässig.


Das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit ist insgesamt zu bejahen. Sofern bereits eine Zuwiderhandlung stattgefunden hat, indiziert dies regelmäßig bereits eine Wiederholungsgefahr. Zwar hat die Betroffene im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 29.06.2022 pauschal zugesichert, dass Ankündigungsfristen zukünftig gewahrt werden würden und deswegen keine Widerholungsgefahr bestehe. Mangels Darlegung substantiierter Maßnahmen verbleibt es jedoch gänzlich unklar, wie genau seitens der Betroffenen sichergestellt werden kann, dass zumindest zukünftig Verstöße gegen gesetzliche Ankündigungsfristen tatsächlich effektiv vermieden werden. Neben der bloß pauschalen Zusicherung benennt die Betroffene beispielsweise keinerlei Maßnahmen struktureller, prozessualer oder personeller Art, durch die zukünftig die Wahrung der Rechte von Haushaltskunden sichergestellt werden könnte. Darüber hinaus ist für die Beschlusskammer auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen es im vorliegenden Fall überhaupt zu den Verstößen gegen die gesetzlichen Ankündigungsfristen in dieser erheblichen Anzahl gekommen ist. Trotz zweifacher Fristverlängerung hat die Betroffene zu den diesbezüglichen Umständen oder möglichen Entlastungsgründen im Rahmen ihrer Stellungnahme keinerlei Vortrag angeboten. Das berechtigte Interesse an einer Feststellung lässt sich zudem auch aus der erheblichen Anzahl der betroffenen Haushaltskunden im dreistelligen Bereich ableiten. Aufgrund dieser erheblichen Anzahl betroffener Haushaltskunden kann nicht nur von einzelnen unbeabsichtigten Verfehlungen ausgegangen werden, sondern es ist vielmehr auf ein systematisch angelegtes Verhalten der Betroffenen zu schließen. Des Weiteren besteht ein berechtigtes Interesse daran, einer negativen Vorbildwirkung von rechtlich nicht zulässigen Verhaltensweisen entgegenzutreten und mögliche Nachahmungseffekte zu unterbinden.


Die tenorierte Feststellung zu Ziffer 1. sowie die tenorierte Verpflichtung zu Ziffer 2. sind im vorliegenden Fall auch verhältnismäßig. Mit den vorgenommenen Tenorierungen wird nicht nur auf die Einhaltung gesetzlicher Mitteilungspflichten innerhalb der vorgesehenen Frist, sondern auch auf die Sicherstellung der verbraucherfreundlichen Versorgung der Allgemeinheit mit Energie abgestellt und somit eine Zielvorgabe nach § 1 Abs. 1 EnWG gefördert. Somit werden mit den jeweiligen Tenorierungen legitime Zwecke verfolgt. Hierzu sind diese auch geeignet, da durch sie die Erreichung der verfolgten legitimen Zwecke befördert wird. Mildere Mittel, die jedoch gleichwirksam sind, sind vorliegend nicht ersichtlich. Die Erteilung eines bloßen Hinweises auf die geltende Rechtslage sowie die Einstellung des eröffneten Aufsichtsmaßnahmenverfahrens im Übrigen erscheint zwar als milderes Mittel. Nach Überzeugung der Beschlusskammer käme einem solchen Hinweis unter Einstellung des Verfahrens im Übrigen vorliegend jedoch nicht die gleiche Wirkung zu. Dies liegt schon darin begründet, dass einem Hinweis auf die Rechtslage nicht das gleiche Maß an Rechtsverbindlichkeit zukommt, wie dies bei einer behördlichen Verfügung der Fall ist, die in Bestandskraft erwachsen und falls nötig mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden kann. Im Übrigen sind die Feststellung zu Ziffer und die Anordnung zu Ziffer 2. des Beschlusses auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Zwar regt die Betroffene in ihrer Stellungnahme vom 29.06.2022 an, das Verfah ren unter Verweis auf die getroffenen Darlegungen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nach § 73 Abs. 2 EnWG einzustellen. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Wie bereits vorab dargelegt, sieht die Beschlusskammer im vorliegenden Fall eine Wiederholungsgefahr als gegeben an. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Betroffene bereits vor der Eröffnung des Aufsichtsmaßnahmenverfahrens eigenständig und freiwillig von dem in Rede stehenden Vorgehen Abstand genommen hat, obwohl hierzu aufgrund zahlreicher Beschwerden und Widersprüche durch betroffene Haushaltskunden Anlass bestanden hätte. Erst unter dem Eindruck der Eröffnung des Aufsichtsmaßnahmenverfahrens hat die Betroffene im Rahmen der Stellungnahme vom 29.06.2022 angekündigt, betroffene Haushaltskunden nunmehr schadlos stellen zu wollen. Dabei bleibt es jedoch offen, in welchem zeitlichen Rahmen dies erfolgen soll. Darüber hinaus ist auch zu beachten, dass es bei den betroffenen Haushaltskunden selbst im Falle einer zeitnahen Erteilung und Auszahlung von Gutschriften zunächst zu einem Abfluss finanzieller Mittel gekommen ist, ohne das den betroffenen Haushaltskunden eine hinreichende Vorlaufzeit zur Prüfung ermöglicht wurde und ohne das hierfür ein Rechtsgrund bestand. Gerade in einem angespannten und unsicheren Marktumfeld entfaltet die zu beachtende Vorlaufzeit von einem Monat nach § 41 Abs. 5 S. 2 EnWG zur Prüfung und Informationseinholung für Haushaltskunden eine besondere Schutzfunktion. Durch die von der Betroffenen eingeräumte Vorlaufzeit von gerade einmal drei Tagen vor dem Inkrafttreten der Preiserhöhung wurde die gesetzliche Vorgabe aus § 41 Abs. 5 S. 2 EnWG auch nicht nur marginal, sondern evident und erheblich unterschritten. Durch diese eklatante Unterschreitung wurde den betroffenen Haushaltskunden die Einholung von Informationen, anderweitigen Angeboten oder eine rechtliche Bewertung innerhalb einer angemessenen Frist nicht nur erschwert, sondern nahezu unmöglich gemacht. Die dem Schutz von Haushaltskunden dienende Vorschrift des § 41 Abs. 5 S. 2 EnWG wurde dadurch nahezu vollständig ausgehöhlt und entwertet. Darüber hinaus verfängt auch der Hinwies der Betroffenen nicht, dass die angekündigte Preiserhöhung gegenüber der Kundin XXX weder eingerichtet noch geltend gemacht worden sei. Selbst wenn man zu Gunsten der Betroffenen davon ausgehen wollen würde, dass gegenüber der betroffenen Haushaltskundin eine Preiserhöhung weder eingerichtet noch geltend gemacht worden sei, so lägen dem Aufsichtsmaßnahmenverfahren in der Sache noch immer unbestrittene Beschwerden in dreistelliger Höhe zugrunde. Durch die getroffenen Tenorierungen stellt die Beschlusskammer demgegenüber sicher, dass die Rechtsordnung und insbesondere die Rechte von Haushaltskunden durch die Betroffene wieder geachtet werden und Haushaltskunden auf der Grundlage von rechtzeitig erfolgenden Informationen mit hinreichender Vorlaufzeit informierte Entscheidungen treffen können. In Relation hierzu stehen die Auswirkungen auf die Betroffene auch nicht außer Verhältnis. Es ist vorliegend nicht ersichtlich, dass die getroffene Feststellung sowie die angeordnete Verpflichtung etwa die Geschäftstätigkeit der Betroffenen maßgeblich oder in Gänze beeinträchtigen oder unmöglich machen würden.

3
Die Androhung des Zwangsgeldes findet ihre Rechtsgrundlage in § 94 EnWG iVm. §§ 6, 9 Abs. 1 lit. b), 11, 13 VwVG.

Die in diesem Beschluss ausgesprochene Verpflichtung stellt eine Anordnung der Bundesnetzagentur dar, die gemäß §§ 94 EnWG, 6 VwVG im Wege des Verwaltungszwanges durchgesetzt werden kann. Als Zwangsmittel kann nach §§ 9 Abs. 1 lit. b), 11 VwVG die Verhängung eines Zwangsgeldes herangezogen werden, da es sich bei der Einhaltung der Vorgaben dieses Beschlusses um eine nicht vertretbare Handlung handelt. Ermächtigungsgrundlage für diese Androhung ist § 94 Abs. 1 Satz 1 EnWG iVm. § 13 Abs. 1 Satz 1 VwVG. Die Androhung hat der abschließenden Festsetzung des Zwangsgeldes vorauszugehen. Das Zwangsgeld ist auch mit den Anordnungen des Tenors zu 2. dieses Beschlusses gemäß § 13 Abs. 2 S. 2 VwVG zu verbinden, da Rechtsmittel gegen diesen Beschluss gemäß § 76 Abs. 1 EnWG keine aufschiebende Wirkung haben und kein atypischer Fall vorliegt, in welchem von der ansonsten zwingenden Verbindung von Beschluss und Zwangsgeldandrohung abgesehen werden kann. Das Zwangsmittel ist sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach angemessen. Dies ergibt sich sowohl aus der Größe des Unternehmens der Betroffenen als auch aus der Vielzahl eingegangener Beschwerden von Haushaltskunden zu dem streitgegenständlichen Verhalten, die den Schluss auf nicht nur einzelne Rechtsverstöße, sondern vielmehr auf ein systematisches Fehlverhalten zu Lasten besonders schutzwürdiger Verbraucher zulassen. Um im Sinne eines fairen und transparenten Wettbewerbs und unter Berücksichtigung der Belange schutzwürdiger Haushaltskunden auf die Einhaltung und Wahrung energierechtlicher Vorschriften hinzuwirken, war ein Zwangsgeld in Höhe von 100.000 Euro anzudrohen. Die Ankündigung der Betroffenen, Haushaltskunden neue Abrechnungen ohne Zugrundelegung der angekündigten Preiserhöhungen zu erstellen und Gutschriften zu erteilen, hat die Beschlusskammer bei der Höhe des Zwangsgeldes berücksichtigt. Andernfalls wäre auch ein in der Summe höheres Zwangsgeld nicht ausgeschlossen gewesen. Die nicht geringe Höhe des angedrohten Zwangsgeldes ermöglicht eine wirksame Vollstreckung, liegt aber gleichwohl noch im unteren Bereich des nach § 94 S. 2 EnWG eröffneten Rahmens, der zwischen 1000 EUR und zehn Millionen EUR liegt.


4.) Die Erhebung von Kosten nach § 91 EnWG bleibt einem gesonderten Verfahren vorbehalten.