Widerruf von DrSmile und SmileDirectClub

Verbraucherzentralen warnen vor DrSmile und SmileDirectClub

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz haben im August 2021 einen Marktcheck-Bericht über „Transparente Zahnschienen aus dem Internet Werbeversprechen auf dem Prüfstand“ herausgegeben, in welchem sie insbesondere die Unternehmen PlusDental, DrSmile, SmileDirectClub und Ilovemysmile unter die Lupe genommen haben.

Hierbei haben sie insbesonder herausgefinden, dass der Widerruf von DrSmile und SmileDirectClub möglich ist:

Die großen Player auf dem Markt der Zahnschienen sind meist Unternehmen, die nicht von Zahnärzt:innen gegründet wurden und geführt werden, sondern als Start-ups entstanden sind und mittlerweile von Investor:innen finanziert werden.

Beispiel DrSmile: Der Umsatz des ehemaligen Start-ups etwa lag zuletzt im zweistelligen Millionenbereich mit über 20-prozentigem Wachstumspotential pro Jahr.

Mit der Untersuchung innerhalb des Marktcheck-Berichts wurden die Kosten und Rechtskonstruktionen verglichen die Konsequenzen für Verbraucher beschrieben: innen hinsichtlich Haftung, Behandlungsbetreuung und Widerrufsmöglichkeiten. Die vergleichende Darstellung des Marktangebots soll Verbraucher:innen eine Orientierungshilfe geben. Sie zeigt zugleich bestehende Mängel und rechtliche Probleme auf und weist damit auf verbraucherpolitischen Änderungsbedarf hin.

Fragestellungen des Marktcheck-Berichts waren:

  • Wie ist die Rechtskonstruktion der gewerblichen Anbieter ausgestaltet und welche Folgen hat dies für die Rechte der Verbraucher:innen (z.B. Vertragsabschluss, Haftung im Schadensfall)?
  • Wie wird die Aligner-Behandlung überwacht und welches Personal steht dafür zur Verfügung?
  • Sind die Kostenangaben auf den Webseiten für Verbraucher:innen verständlich (Raten-/ Einmalzahlung, Zinsen, Zusatzversicherungen)?
  • Wie können Verbraucher:innen bestehende Verträge widerrufen oder kündigen?
  • Mit welchen Mitteln/Methoden werben die Anbieter?

Herausgekommen sind laut Martcheck-Bericht folgende Ergebnisse:

Rechtskonstruktion von DrSmile und SmileDirectClub:

DrSmile agiert unter den Unternehmen Urban Technology GmbH, DZK Deutsche Zahnklinik GmbH und SmileCo GmbH, hat seinen Sitz in Berlin und Herrn Christopher von Wedemeyer als Geschäftsführer.

SmileDirectClub DEU GmbH hat seinen Sitz in Hamburg; die Geschäftsführung besteht aus Susan Jean Greenspon Rammelt, David Brian Katzman, Steven Barry Katzman, Holger Kretschmer und Kay Oswald.

Die Geschäftsführer:innen beider Unternehmen sind allesamt keine Zahnärzt:innen oder Kieferorthopäd:innen.

Vertragsabschluss:

  • Hinter der Internetseite www.drsmile.de steht die Urban Technology GmbH, mit der Verbraucher:innen nur einen Vermittlungsvertrag schließen. Die vermittelten zahnmedizinischen Leistungen werden von kooperierenden Zahnärzt:innen und Kieferorthopäd:innen erbracht, während die Herstellung der Produkte von der Deutschen Zahnklinik GmbH durchgeführt wird.
  • Bei SmileDirectClub ist zwar von „unseren in Deutschland zugelassenen Partner-Zahnärzten und Kieferorthopäden“ die Rede, aber die entsprechenden Geschäftsbedingungen auf der Webseite liefern keinen brauchbaren Aufschluss über die genaue Vertragskonstruktion.

Die gewerblichen Aligner-Anbieter sind nicht Behandler:innen, sondern nur Vermittler:innen des Behandlungsvertrages. Deshalb erfolgt auch der Behandlungsvertragsabschluss nicht unmittelbar mit DrSmile.

Behandlung durch Kooperationszahnärzte?

Ob eine Behandlung mit Alignern möglich ist, wird durch einen „Eignungstest“ untersucht.

  • Bei DrSmile geht das laut FAQ „ganz bequem online“, es sind nur „vier Fragen rund um Deine Zähne“ zu beantworten. Zusätzlich können Interessent:innen anhand von Modellzeichnungen angeben, ob sie ihre Zahnkrümmung eher als leicht, mittel oder schwer einschätzen. Die Firma weist aber darauf hin, dass die Zahnärzt:innen unabhängig von dieser persönlichen Einschätzung „eine fachliche Diagnose“ stellen.
  • Bei SmileDirectClub findet sich auf der Webseite: „Jetzt Fragen beantworten und sofort

herausfinden, ob SmileDirectClub das Richtige für dich ist.“17

Alle Anbieter bieten (teilweise neben dem Selbstabdruck von zu Hause aus) die Möglichkeit eines Termins vor Ort, an einem der Standorte oder bei Kooperationszahnärzten.

Insgesamt machen die untersuchten Anbieter aber auf den Webseiten nicht deutlich, wie die weitere Betreuung erfolgt. Ob Kund:innen eine konkrete Zahnärztin oder einen konkreten Zahnarzt als dauerhafte Ansprechpartner:innen während des gesamten Behandlungszeitraums haben, ist unsicher. In der Regel beruht das Geschäftsmodell des telemedizinisch ausgerichteten Angebots darauf, den persönlichen Kontakt im Vergleich zur herkömmlichen Zahnarztpraxis zu minimieren.

Das kann eventuell zu Informationsverlusten bei der Behandlungskontinuität führen, insbesondere da nicht ersichtlich ist, ob und wo eine Patientenakte geführt wird. Auch wenn ein Beratungstermin zu Beginn verpflichtend ist, bleibt unklar, ob es bei diesem einen Termin bleibt oder ob weitere persönliche Termine im Laufe der Behandlung dazukommen.

Kostenangaben transparent?

  • DrSmile sieht eine Einmalzahlung sowie eine Ratenzahlung vor. Die Preisangaben auf der Webseite basieren auf einem Zahlungszeitraum von 72 Monaten. Dabei wird ein Zinssatz von 9,9 % fällig. Die Preispakte unterteilen  sich in leicht, mittel und komplex.
  • Bei SmileDirectClub können die Kosten ebenfalls per Einmalzahlung oder Ratenzahlung beglichen werden. Zinsen fallen bei einer Ratenzahlung von 24 Monaten Laufzeit nicht an.

Die geltenden gesetzlichen Transparenzvorschriften werden bei DrSmile nicht eingehalten. Dies erschwert Verbraucher:innen eine informierte Entscheidung. Kostenpflichtige Finanzierungshilfen müssen laut der Preisangabenverordnung (PAngV) besonders gekennzeichnet sein (§§ 6a, 6c PAngV). Hierzu gehört unter anderem der zu zahlende Gesamtbetrag. Auf der Internetseite von DrSmile wird jedoch lediglich ein grober Kostenrahmen angegeben: „In der Regel liegen die Kosten zwischen 1.790 bis 2.990 Euro. Auch ist bei DrSmile nicht ersichtlich, ob der Zinssatz von 9,9% Zinsen p.a. den Sollzinssatz oder den effektiven Jahreszins bezeichnet. Angegeben werden müssen beide. Auch die Identität des Darlehensgebers bzw. Finanzierers (§ 6a Abs. 2 Nr. 1 PAngV) wird bei DrSmile jedenfalls aus der Preisübersicht auf den Internetseiten nicht hinreichend deutlich.

SmileDirectClub wirbt mit einem Festpreis ohne „versteckte Kosten“ und bietet keine kostenpflichtigen Finanzierungshilfen an. Zinsen fallen also nicht an, dafür aber sollte man bei der Ratenzahlung den Hinweis „inkl. weitere Zahnleistungen ab dem 25. Monat“ beachten. Die Ratenzahlung geht nämlich mit einer Zahnzusatzversicherung einher („Allianz SmileNow Zahlungsplan“), die nicht im Gesamtpreis enthalten ist – also extra kostet – und separat gekündigt werden kann/muss.

Widerruf von DrSmile und SmileDirectClub, Kündigung und Haftung

Was gilt, wenn Verbraucher:innen von einem Vertragsabschluss zurücktreten möchten? Vorliegende Beschwerden bei den Verbraucherzentralen zeigen, dass dies immer wieder ein Problem ist. So schildern Kund:innen, dass sie teilweise telefonisch niemanden erreichen oder vergeblich auf einen Rückruf warten. Oder dass sie ohne Unterschrift, sondern lediglich aufgrund eines Bestätigungsbuttons per PDF-Datei eine Rechnung erhielten. Zu Kündigungsrechten finden sich bei allen vier Zahnschienenanbietern auf den Webseiten nur spärliche Angaben. Vom bestehenden gesetzlichen Kündigungsrecht bei Vertrauensstellung (§§ 630b i.V.m. 627 BGB), das Verbraucher:innen in Behandlungsverträgen eine jederzeitiges außerordentliche Kündigungsmöglichkeit einräumt, ist in den AGB keine Rede. Ein Widerrufsrecht wird ebenfalls überall ausgeschlossen, da es sich bei den Zahnschienen um individuell angefertigte Produkte handeln soll.

 DrSmileSmileDirectClub
Widerrufversuchter Widerrufsausschluss, aber nicht pauschal wirksamversuchter Widerrufsausschluss, aber nicht pauschal wirksam
Kündigungkeine Angabenk.A., nur begrenzte 30-Tage-Geld-Zurück-Garantie (für unbenutzte Zahnschienen)
HaftungHaftung beschränkt auf das Gesellschaftsvermögen, insb. der Deutsche Zahnklinik GmbH, Haftungsprivilegierungen* in den AGBHaftung beschränkt auf das Gesellschaftsvermögen, Haftungsprivilegierungen* in den AGB

*Mit „Haftungsprivilegierungen“ sind Abweichungen vom gesetzlichen Haftungsmaßstab, etwa dem Grad des für Schadensersatzansprüche notwendigen Verschuldens, zugunsten des Unternehmens gemeint.

  • Bei DrSmile steht in den AGB: „Unsere Zahnschienen sind Unikate und werden spezifisch auf den Kunden angepasst. Sollte der Kunde, nachdem er seinen Anwendungsplan erhalten hat, seine individuellen Zahnschienen bestellen, ist diese Bestellung vom Widerrufsrecht ausgeschlossen.“
  • SmileDirectClub bietet als einziger Anbieter ein begrenztes Rückgaberecht. Innerhalb der ersten 30 Tage ab Lieferung können unzufriedene Kund:innen die Schienen zurückschicken und bekommen die Kosten erstattet. Nach Ablauf der 30 Tage können nur unbenutzte und ungeöffnete Schienen zurückgegeben werden. Sie werden nur anteilig erstattet. In den Rückgaberichtlinien von SmileDirectClub steht: „Diese Rückgabe-Richtlinie ist ein freiwilliges Angebot von SmileDirectClub. Unsere Zahnschienen sind speziell auf Ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten und unterliegen daher nicht dem gesetzlichen Widerrufs- und Rücktrittsrecht bei Online-Käufen.“

Der Ausschluss des Widerrufsrechts entfaltet nach der nachfolgend dargestellten Rechtsprechung keine Wirkung bei Verträgen, deren Schwerpunkt – wie im Falle der Aligner – auf der Funktionstauglichkeit des hergestellten Werks liegt. Bei Vertragsabschlüssen im Internet haben Verbraucher:innen meist ein Widerrufsrecht und können Verträge ohne Angabe von Gründen auflösen, in der Regel 14 Tage nach Abschluss eines Vertrages oder dem Erhalt bestellter Ware. Aligner-Unternehmen berufen sich jedoch darauf, dass es sich bei den Zahnschienen um individuell angefertigte Produkte handele, bei denen das Widerrufsrecht ausgeschlossen sei (§ 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Diese Angabe findet sich bei allen Anbietern. Die Vorschrift findet allerdings nur Anwendung auf Kaufverträge oder Werklieferungsverträge. Für Werkverträge hingegen kann das Widerrufsrecht unter Berufung auf § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht ausgeschlossen werden, da diese in Übereinstimmung mit dem europäischen Recht als Dienstleistungen einzustufen sind (BGH, Urteil vom 30.08.2018 – Az. VII ZR 243/17). Da der Schwerpunkt des Aligner-Vertrags auf der Herstellung von funktionstauglichen Zahnschienen zur Behandlung von Zahnfehlstellungen liegt, kann für diese Werkleistung das Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen werden.

Das Widerrufsrecht für im Internet geschlossene Verbraucherverträge besteht daher nach Auffassung der Verbraucherzentralen und gibt Verbraucher:innen das Recht, den Vertrag – z.B. durch eine Erklärung per E-Mail – wieder aufzulösen.

Dies gilt umso mehr, wenn die untersuchten Anbieter die Verträge mit Zahnärzt:innen oder Zahnschienenherstellern nur vermitteln. Für solche Vermittlungsverträge greifen die in § 312g Abs. 2 BGB genannten Ausschlusstatbestände nicht. Auch ein denkbares Erlöschen des Widerrufsrechts nach § 356 Abs. 4 BGB kommt nicht in Betracht, da die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt sind.

Da nach den einsehbaren Informationen auf den Internetseiten der Anbieter zu keinem Zeitpunkt eine Widerrufsbelehrung erfolgt, erlischt dieses Recht gemäß § 356 Abs. 3 BGB auch erst zwölf Monate und vierzehn Tage nach Vertragsschluss.

Marketing und Nichtigkeit nach § 134 BGB

Alle gewerblichen Anbieter nutzen soziale Netzwerke in großem Umfang, um für ihre Aligner zu werben, vor allem DrSmile.

  • DrSmile auf Instagram, Facebook, YouTube, Pinterest, LinkedIn und XING. Besonderheit ist ein eigener Menüpunkt unter „Kontakt“ für Influencer:innen und Blogger:innen, die sich auf diese Weise direkt bei DrSmile bewerben können, um die Produkte ihren Followern vorstellen zu können: „Du bist Influencer und davon überzeugt, dass Du Deiner Community DrSmile vorstellen möchtest? Dann bist du hier genau an der richtigen Adresse! Werde Teil unserer DrSmile Family und nimm Deine Community mit auf die Reise zu Deinem neuen Lächeln. Bewirb Dich jetzt über unser Online-Formular. Wie freuen uns auf Dich und melden uns bei Dir, wenn eine Zusammenarbeit klappt. Keep Smiling“.
  • SmileDirectClub ist auf Facebook, Twitter, YouTube, Pinterest, Instagram und Snapchat aktiv.

Influencer:innen tragen mit Berichten und Werbevideos dazu bei, dass die Nachfrage steigt. Häufig empfehlen sie ihren Follower:innen eine Zahnkorrektur bei konkreten gewerblichen Zahnschienenanbietern und locken teilweise mit Rabattcodes. Dies ist durchaus problematisch, denn Influencer:innen profitieren von ihrer engen Bindung an die Netzgemeinde, gleichzeitig basieren ihre Empfehlungen nicht auf neutralen Untersuchungen, sondern erfolgen in der Regel gegen Geld.

Diese Vorgehensweise wird durch die Verbraucherzentralen ebenfalls kritisch gesehen, was jedoch innerhalb des Berichts nicht thematisiert wird und ausschlaggebend bei der Bewertung dieser Methoden sein dürfte, ist, dass  Dr. Smile bereits wegen widerrechtlicher Werbung durch ein Gericht zu 77.500,- Euro Geldstrafe verurteilt worden ist und die Werbemaßnahmen – entgegen einiger Berichte im Internet – in Deutschland auch nicht eingestellt wurde. Gemäß § 27 Abs. 3 S. 3 MBO-Ä ist es Ärztinnen und Ärzten untersagt, berufswidrige Werbung zu schalten oder solche Werbung durch andere zu veranlassen oder zu dulden. Bei den mit Dr. Smile und SmileDirectClub kooperierenden Zahnärzten dürfte daher ein Verstoß gegen diese Vorschrift vorliegen, was dazu führt, dass die vermeintlich geschlossenen Verträge bereits wegen § 134 BGB nichtig sein dürften.

Widerruf von DrSmile und SmileDirectClub